Interview mit Singer-Songwriter und Musikproduzent Albert Hammond

Die Menschen können gut sein

Albert Hammond – das ist doch der singende Späthippie, der mit Hymnen wie „The Free Electric Band“, „It Never Rains In Southern California“ oder „I’m A Train“ zum Weltstar wurde. Von den Hits, die er für sich und andere Stars geschrieben hat, wurden bis heute 360 Millionen Tonträger verkauft. Jetzt legt der Brite mit „Body of Work“ sein erstes Album mit neuen Songs in zwei Dekaden vor. Das Alterswerk ist keine leichte Pop-Kost, verhandelt Hammond hier doch auch gesellschaftlich relevante Themen. Mit Olaf Neumann sprach der esoterisch angehauchte Künstler via Zoom über den Zustand der Welt, seine Zusammenarbeit mit Whitney Houston, seinen Sohn Albert Jr. von der Band The Strokes und seinen 80. Geburtstag am 18. Mai

Vor ein paar Jahren bekamen Sie eine Autoimmun-Krankheit, aufgrund derer Sie Ihre Stimme verloren. Jetzt ist sie wieder da und erklingt in brandneuen Songs. Steht dieses Album für ein Comeback im doppelten Sinne?

Albert Hammond: Ich glaube nicht, dass sie vollständig zurückkam, aber ich war in der Lage, diese Platte zu realisieren. Ein Album aufzunehmen ist etwas anderes als live zu singen. Auf der Bühne kann man nicht plötzlich aufhören und sagen: „Lass uns das noch mal machen!“ Ich hoffe aber, diese Platte auch live vorstellen zu können. Im März etwa spiele ich eine Show für meinen Freund Siggi Schwarz und singe ein paar Songs mit ihm. Aber auch eine eigene Tournee ist denkbar.

In „Both Ways“ singen Sie: „Es gibt so viel mehr im Leben, als nur darauf zu warten, zu sterben“. Spornen Sie sich mit solchen Sätzen selbst an?

Hammond: (lacht) Jeder Weg, den man geht, führt in beide Richtungen. Diese Platte stammt aus einer Sammlung von fast 40 neuen Songs, die ich in den letzten Jahren mit meinem guten Freund John Bettis geschrieben habe. Wir waren auch schon für Diana Ross oder Whitney Houston tätig. Ich habe immer kritische Lieder gemacht wie „Down by the River“, ein ökologischer Protestsong über all das Zeug, das in die Flüsse und Ozeane gelangt. Und in „Listen to the World“ von 1972 sprach ich über die Russen und die Chinesen. Mir fällt auf, dass wir scheinbar nie etwas lernen und uns immer nur wiederholen. Die Welt von heute ist wie der alte wilde Westen. Es gibt immer jemanden, der schneller ist als man selbst und einen sowieso töten wird. Aber das ist nicht der richtige Weg! Ich hatte bei diesem Album das Gefühl, ein Licht für die Welt sein zu müssen. Würden acht Milliarden Menschen leuchten, würden wir nicht für jene Leute stimmen, die Kriege anzetteln und unsere Steuern falsch verwenden.

Sie besingen Amerika mit bitteren Worten: “The dream of California is not worth a second thought”. Besitzt das gegenwärtige Amerika für Sie keine Anziehungskraft mehr?

Hammond: In diesem Lied geht es um all die Internetplattformen, die machen, was sie wollen, und wir haben kein Mitspracherecht. Die Menschen, die die Macht über diese Technologie besitzen, werden die Welt regieren, weil wir es ihnen erlauben. Natürlich hat Amerika eine Anziehungskraft auf mich, aber nicht diejenigen, die es regieren. Die Welt, das Universum und Gott haben für mich eine Anziehungskraft. Wir sollten gut sein, freundlich, vergebend und uns gegenseitig lieben, anstatt zu hassen. Das Problem ist, dass acht Milliarden Menschen nicht wirklich wissen, was auf diesem Planeten vor sich geht. Ein einziger fauler Apfel kann alle anderen anstecken.

Ist die Technologie verantwortlich für viele Probleme unserer Zeit?

Hammond: Meine Lieder sind Evergreens und werden in der ganzen Welt gespielt, aber nur wenige jüngere Kollegen können von der Musik leben. Selbst wenn sie Hits haben. Streaming-Plattformen zahlen nicht mehr so viel wie früher die Plattenfirmen. Es hat sich alles verändert und das ganze Geld geht an wenige Leute. Das muss sich ändern.

Sie haben viel Zeit Ihres Lebens in den USA verbracht. Was blüht dem Land, sollte Trump wieder Präsident werden?

Hammond: Ich glaube nicht, dass es im Moment jemanden gibt, der etwas daran ändern wird, wo wir heute stehen. Nicht nur in Amerika, sondern auch in Europa und dem Rest der Welt. Wir brauchen Politiker, die für die Menschen da sind und nicht für sich selbst. In den vier Jahren der Präsidentschaft von Donald Trump gab es zumindest keine Kriege. Aber jetzt haben wir viele. Vielleicht befinden wir uns sogar schon im dritten Weltkrieg und wissen es nicht einmal. Wenn Sie sich mein Album und die Texte anhören, werden Sie Botschaften erkennen, die Sie aufwecken. Die Menschen machen immer wieder die gleichen Fehler. Ich werde bald 80 und viele meiner Freunde sind bereits tot. Alles, was ich zu sagen versuche, bevor ich woanders hingehe, ist: Lasst uns das alles auf friedliche Weise ändern!

Warum gibt es unter den vielen weltoffenen US-Künstler:innen kaum Protest gegen den dumpfen Möchtegerndiktator Trump?

Hammond: Sobald wir mit dem Finger auf Leute zeigen und Namen nennen, sind wir auf dem Holzweg. Meine Philosophie ist, einander zu lieben, mitfühlend zu sein und zu debattieren. Ob ich Recht habe oder nicht, weiß ich nicht, aber ich weiß, was ich fühle. Diktator ist nur ein Wort, das wir erfunden haben. Früher schimpfte man Frauen Hexen und verbrannte sie. Wenn wir im Westen denken, dass wir Recht haben und alle anderen Unrecht, dann sollten wir eine Welt für uns allein finden. Lebten wir in einer echten Demokratie, dann weiß ich nicht, was Demokratie überhaupt ist. Alle Regierungen machen doch, was sie wollen. Niemand studiert die Geschichte, um zu erfahren, warum wir so sind, wie wir sind. Wenn wir wirklich wüssten, dass Kriege niemandem helfen, würden wir ganz bestimmt keine führen. Jeder verliert in einem Krieg. Ich würde also weder die Demokraten noch die Republikaner als Diktatoren bezeichnen, glaube aber nicht, dass sie die richtigen sind, um diese Welt für die Menschen zu regieren.

Ein anderer Song heißt „Gonna save the World“. In den 1960er und 1970er Jahren dachte man, mit Musik ließe sich die Welt retten. Sind Sie diesbezüglich desillusioniert?

Hammond: Es ist wirklich so, dass man glaubt, man werde die Welt retten. Aber solange wir Menschen an der Macht haben, die sich nicht wirklich um uns kümmern, werden wir die Welt sicher nicht retten. Hunderttausende sterben in all diesen Stellvertreterkriegen. Aber Musik wird immer alles überleben. Musik heilt in jeder Hinsicht, kein Zweifel.

Alle zwei Minuten wird irgendwo auf der Welt ein Hit von Ihnen gespielt. Wird man im Mainstreamradio auch die neuen Stücke hören?

Hammond: (lacht) Ich denke, die Chancen sind sehr gering. Die Mainstream-Medien sagen uns nicht die Wahrheit, denn viele Leute verbreiten auf den Plattformen Dinge, die keinen Sinn machen. Sie lügen. Die Welt steht im Moment Kopf.

Wie blicken Sie auf die Menschheit?

Hammond: Ich liebe die Menschheit. Ich glaube, sie wird überleben. Die menschliche Rasse kann gut sein. In meinem Album steckt eine Menge Optimismus und in mir selbst auch. Wenn man das nicht hat, was ist dann der Sinn, so etwas zu tun?

„Goodbye L.A.“ nahmen Sie im Wohnzimmer Ihres Sohnes Albert jr. von der Band The Strokes auf.

Hammond: Ich wollte etwas Akustisches in einem Live-Setting machen. An der bluesigen Gitarre agiert mein alter Freund Laurence Juber, Ex-Gitarrist bei Paul McCartneys Wings. Der Song fühlte sich auf der Platte einfach richtig an. Und Los Angeles ist ein Ort, den ich immer noch liebe, auch wenn er sich verändert hat.

Könnten Sie sich vorstellen, einmal ein Album mit Ihrem Sohn aufzunehmen?

Hammond: Das würde ich gerne, aber ich lasse meinem Sohn seine Freiheit. Wenn er Lust dazu haben sollte, wird er mich fragen. Als Vater werde ich immer für meine Kinder da sein, auch mit 90 noch, falls ich so alt werden sollte.

Sie haben auch erfolgreiche Songs für einige der größten Sängerinnen in der Geschichte der Popmusik geschrieben, Tina Turner, Whitney Houston, Diana Ross, Dionne Warwick, Aretha Franklin oder Céline Dion. Konnten Sie immer besonders gut für Frauen schreiben?

Hammond: (lacht) Ich weiß es nicht genau. Männer und Frauen tragen Männliches und Weibliches in sich. Ich glaube nicht, dass ich für die einen besser schreibe als für die anderen, ich schreibe einfach, was mir in den Sinn kommt. Wenn diese Person eine Frau ist und den Song liebt, ist es eine Übereinstimmung. Ich meine, ich schrieb „One Moment in Time“ und hatte dabei Elvis Presley im Kopf. Ich dachte, er wäre großartig, um Amerika bei den Olympischen Spielen zu vertreten, wenn er noch leben würde. Denn seine Energie lebt weiter. Aber dann kam dieses Lied zu mir zurück, gesungen von einer Frau: Whitney Houston.

Whitney Houstons Leben endete sehr tragisch unter dem Einfluss von Drogen. Warum sind viele Künstler so selbstzerstörerisch?

Hammond: Nun, weil wir Menschen sind, und Menschen sind nicht perfekt. Wir sind zerstörerisch gegenüber anderen und uns selbst. Ich sage nicht, dass Whitney das mit Absicht getan hat, die Umstände waren Schuld an ihrem Schicksal. Manche Menschen begehen Selbstmord, aus welchen Gründen auch immer. Jeder Weg, den man geht, führt in beide Richtungen, und manchmal gerät man auf die falsche Seite und weiß nicht, wie man da wieder herauskommt. Man wandelt auf einem schmalen Grat und kann nach links oder rechts fallen. Das sind Dinge, die man nur selbst in der Hand hat. Anscheinend hatte Whitney nicht die nötige Willenskraft oder hat sie für ein paar Sekunden verloren.

Haben Sie als junger Mann selbst nach dem alten Leitsatz Sex & Drugs & Rock & Roll gelebt?

Hammond: Das hat praktisch jeder in der Musikbranche getan. Sogar Buchhalter und Anwälte. Das ist dasselbe, wie jemanden einen Diktator zu nennen. Das müssen zwangsläufig keine schlechten Menschen sein, sie haben nur ihren Weg verloren. Man gerät in eine Situation, aus der man sich selbst befreien muss. Ich habe mich selbst da herausgeholt. Es war auch nur ein kleiner Teil meines Lebens.

Auf dem Cover Ihres Albums präsentieren Sie sich mit halbnacktem Oberkörper. Ein Protest gegen den Jugendkult in der Popmusik?

Hammond: Nein. Es gibt ein Bild von mir, das ein sehr berühmter Fotograf 1972 für mein Album „It never rains in southern California“ gemacht hat. Als ich die neue Platte aufnahm, bekam ich dieses alte Foto von einem Fan zugeschickt. Da dachte ich, ich mache das jetzt einfach noch einmal.

Wie kann man in Ihrer Branche in Würde altern?

Hammond: Ich weiß nicht, ob ich als Musiker würdevoll altern kann, aber ich möchte als Mensch würdevoll altern. Ich denke, bis jetzt bin ich in dieser Branche auf jeden Fall in Würde gealtert, weil mein Werk bis in die 1960er Jahre zurückreicht. Das wird es auch hundert Jahre nach meinem Tod noch geben.

Albert Hammond: Body of Work (CD/LP/digital. EarMusic/edel) – VÖ: 1.3.2024

Albert Hammond & Siggi Schwarz Band live: Freitag, 8. März, Lokschuppen, Heidenheim

Foto: Rita Carmo

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